Tannenbergsthal mit seinen Ortsteilen Jägersgrün, Gottesberg und Schneckenstein

Die Entstehungsgeschichte von Tannenbergsthal und seinen Ortsteilen beginnt mit dem Fund von Erzen. Kurz darauf wurde das Erz abgebaut und in den Hammerwerken oder ähnlichen Einrichtungen verarbeitet.
Der erste niedergelassene Hammerherr war Hans Volckmar von Marienberg im Jahre 1550. Dies führte schließlich zur Gründung von Tannenbergsthal.

114 Jahre später diktierten die Hammerwerksfamilien Baumann fast 100 Jahre das örtliche Geschehen, bevor es über die Familien von Mangold in das Eigentum der Lattermanns aus Morgenröthe-Rautenkranz übergeht. So kam es, das dass Hammerwerk stillgelegt und es 1855 an den Braunschweiger Garnhändler Friedrich Eduard Keffel verkauft wurde. Durch Friedrich Eduard Keffel wurde die erste mechanische Weberei im Königreich Sachsen errichtet. Er veranlasste später die Erweiterung der Produktionspalette, um Wachstuch und Kunstleder herstellen zu können.
Am Ende des II. Weltkrieges erfolgte die entschädigungslose Enteignung von Keffel (1946 per Volksentscheid). Ab diesem Zeitpunkt entstand die Volkseigene Kunstlederfabrik Tannenbergsthal. Mit der politischen Wende im Herbst 1989 wurde die Firma umbenannt in die Vogtländische Beschichtungs- und Veredlungs GmbH. Kurz darauf ging die Firma in Konkurs und ein langjähriges historisches Gewerbe aus dem Jahre 1550 endet am 26. Februar 1991.

Mit der Wende veränderte sich auch die Infrastruktur der Gemeinde und man orientierte sich in Richtung sanften Tourismus.
Die verschiedensten kommunal-politischen Formen der Gemeindegebietsstrukturen erreichten Ihren Höhepunkt mit dem Zusammenschluss der drei Verbandsgemeinde  Tannenbergsthal – Hammerbrücke – Morgenröthe/Rautenkranz zur Einheitsgemeinde Muldenhammer am 1. Oktober 2009.
Der Sitz der Verwaltung ist im Herrenhaus im Ortsteil  Tannenbergsthal. Einst wurde das Haus im Jahre 1718 durch Johannes Baumann errichtet. Zwischenzeitlich sanierte die Gemeinde Tannenbergsthal von 2004 bis 2005 das Herrenhaus und brachte nach der Wiedereröffnung am 1. Advent 2005 wieder „Leben“ in das Gebäude.


Vertriebene Wegbereiter
Die Unternehmerfamilie Keffel

  • Friedrich Eduard Keffel
    1814 - 1898

  • Friedrich Eduard Keffel
    1877 - 1953


Unseren lieben Eltern

Louisa Keffel geb. Henderson 13.3.1854 in New York gest. am 20.9.1899
und
Ernst Alexander Keffel geb. 16.6.1849 gest. am 19.8.1901


So lautet die Inschrift der mittleren großen Tafel. Ernst Alexander Keffel gehörte einer Unternehmerfamilie an, der die Region viel zu verdanken hat. Seine Frau Louisa wurde vor 150 Jahren im fernen Amerika geboren.

Nach der Zwangsenteignung und Vertreibung der Familie Keffel aus Tannenbergsthal durfte ihr Familiengrab in Morgenröthe-Rautenkranz nicht mehr gepflegt werden. Die Grabstätte zerfiel deshalb in den letzten Jahrzehnten der kommunistischen Zwangsherrschaft zur Halbruine. Nach der politischen Wende wurde die Gruft in den Jahren 1999 bis 2002 von einigen Angehörigen der Familie fachmännisch instandgesetzt und gewollt als schlichtes Bauwerk gestaltet. Grauer Bruchstein umgibt den dreiteiligen Grabstein und die grazile Skulptur eines Engels, der trauernd auf eine steinerne Urne herabsieht. Aus ideologischen Gründen wurde dem Grab über Jahrzehnte jegliche Beachtung verweigert und ein erbärmlicher Grabräuber schändete zudem die Stätte, - in den Zeiten der Knappheit an Buntmetallen sägte er dem Engel die Flügel ab.

Alles begann im Jahr 1843, als der Kaufmann Friedrich Eduard Keffel, am 17.2.1814 als Sohn eines Kunstgärtners in Braunschweig geboren, im Hause seines Schwiegervaters Louis Hetzer in Auerbach die Firma Eduard Keffel mit einer Garnhandlung eröffnete. Dieses Gründungshaus, das er ein Jahr später erwarb, fiel 1857 dem Stadtbrand zum Opfer, wurde jedoch von ihm wieder aufgebaut. Es handelt sich um das Gebäude des Kaufhauses am Auerbacher Neumarkt. Neben seinen unternehmerischen Projekten hatte Friedrich Eduard Keffel, der als vorausschauender energischer Mann bekannt war, stets auch das Wohl der Allgemeinheit im Auge. Bereits 1856 war durch seine Initiative und Spenden in einem Bauerngut am jetzigen Oberen Bahnhof in Auerbach ein Waisenhaus eröffnet worden. Friedrich Eduard kaufte das Grundstück und trat es später an die Rettungsgesellschaft für verwaiste Kinder ab, deren Mitbegründer er war.

Etwa zur selben Zeit, im März 1855, hatte er Grundstücke des ehemaligen Hammerwerkes Lattermann in Tannenbergsthal erworben. Hier errichtete er die erste mechanische Weberei Sachsens, die im Herbst 1856 in Betrieb genommen wurde. Allein die Größe des Fabrikgebäudes - 130 Meter lang, 17 Meter breit und vier Stockwerke hoch - muss damals weit über das Begriffsvermögen der Einheimischen hinausgegangen sein. Für das Anlernen der Arbeiter an den modernen englischen Webstühlen waren Ingenieure aus England und erfahrene süddeutsche Weber gewonnen worden. Es gehörte schon eine Portion Mut und Selbstvertrauen dazu, eine Fabrik dieses Ausmaßes dorthin zu setzen, "wo weder ein Posthorn ertönte noch eine Lokomotive pfiff" und damit den Bewohnern der Waldgemeinden Arbeit zu verschaffen. Es hieß, dass Friedrich Eduard Keffel nicht nur tatkräftiger Geschäftsmann, sondern auch Romantiker gewesen sei, den nicht zuletzt die Liebe zur rauen, unverdorbenen Landschaft von Tannenbergsthal dazu bewogen habe, den Bewohnern eben dieses entlegenen Ortes eine Zukunft zu geben. Bis zum Jahr 1876, das mit der Inbetriebnahme der Linie Chemnitz-Aue-Adorf die langersehnte Eisenbahn-Anbindung brachte, erfolgte der Transport von Material und Waren allein durch Pferdefuhrwerke. Trotz seiner Beanspruchung als Unternehmer fand Friedrich Eduard Keffel die Zeit, von 1876 bis 1881 ehrenamtlich als Gemeindevorsteher in Tannenbergsthal tätig zu sein. Im Jahr 1885 wanderte er nach Kalifornien aus, wo er 1898 starb. Sein Grab auf dem Evergreen-Friedhof in Los Angeles besteht noch heute.

Seinem Sohn Ernst Alexander Keffel, geboren 1849 in Auerbach, ermöglichte er ab 1867 eine umfassende kaufmännische Ausbildung in den Vereinigten Staaten. 1872 heiratete Ernst Alexander in Connecticut seine Frau Louisa. Vom Vater gerufen, kehrte er 1875 mit seiner jungen Familie, zu der inzwischen auch zwei kleine Töchter gehörten, nach Tannenbergsthal zurück, um 1878 die Leitung des Betriebes zu übernehmen. Er gründete 1879 die Ledertuchfabrik und 1894 die Wachstuchabteilung, so dass die Weberei bald nur noch für den betriebseigenen Bedarf produzierte. In dieser Zeit gewann das Unternehmen großindustrielles Niveau und konnte so vor allem der Konkurrenz elsässischer Produkte, die im Reich zollfrei abgesetzt werden konnten, standhalten. Die Grundlage für den europaweiten Ruf der Tannenbergsthaler Firma war gelegt.

Bereits bevor Ernst Alexander 1901 im Alter von nur 53 Jahren starb, waren sein Sohn Friedrich Eduard Keffel, geboren am 7.5.1877 in Tannenbergsthal, und sein Schwiegersohn Edmund Meinel in die damals als Offene Handelsgesellschaft geführte und 1911 in eine Aktiengesellschaft mit 3.000.000 Mark Grundkapital umgewandelte Firma eingetreten. Auch sie setzten in nunmehr dritter Generation all ihre Kraft für die ständige Erweiterung und Modernisierung des Unternehmens ein. Im Jahr 1904 entstand eine Produktionsstätte für Kunstleder; 1905 wurde das Werk Kohlmühle bei Dresden zur Herstellung von Leder- und Wachstuch, später auch Linoleum, übernommen. Als Ersatz für die 1908 völlig niedergebrannte alte Weberei wurde 1909 ein neues, massives Gebäude errichtet.

Immer wieder stellte die Familie Keffel erhebliche, weit über das normale Maß hinaus gehende Mittel für soziale Zwecke zur Verfügung. Bereits 1861, mehr als 20 Jahre vor der Gründung der ersten Allgemeinen Ortskrankenkassen, wurde eine Betriebskrankenkasse eingerichtet. Um die Jahrhundertwende entstanden etliche Arbeiterwohnungen (die "acht Häuser" und "zehn Häuser" in der damaligen Keffel-Straße, jetzt Robert-Blum-Straße), die heute noch bewohnt werden.

Auf Initiative und durch Spenden der Familie Keffel konnte 1905 die gemeinsame Volksschule der Orte Tannenbergsthal und Jägersgrün, die "rote Schule", eröffnet und am 25.9.1910 die Schlüssel für die neu erbaute Kirche an die Gemeinde übergeben werden. Die Glocken der Kirche in Morgenröthe-Rautenkranz wurden ebenfalls von der Familie zur Erinnerung an Ernst Alexander Keffel gespendet.

Ab 1941 begann auch für die Eduard Keffel AG eine schwierige Zeit. Es fehlte an Material, um die Infrastruktur und den Maschinenpark zu erhalten. Um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern, war eine teilweise Anpassung der Produktion an die Erfordernisse der Kriegswirtschaft unumgänglich. Nicht zuletzt dem Einsatz von Eduard Keffels (geb. 1877) jüngstem Sohn Herbert Gottfried Keffel (geboren am 1.7.1910), ist es zu verdanken, dass auch diese Phase gemeistert und der Anteil der "Kriegsproduktion" (Herstellung von Feldplanen) mit 10 % gering gehalten werden konnte. Dennoch nahm mit dem Abzug der amerikanischen Truppen aus der Region im Juli 1945 die Odyssee der Familie Keffel ihren Anfang: Eduard Keffel musste seine Villa (das heutige Ärztehaus) verlassen und in das Haus seines Sohnes (auf dem Grundstück des heutigen Kindergartens) umziehen. Im Gegensatz zu Herbert, der 1947 zunächst nach Leipzig und dann nach Berlin-Charlottenburg ging, dachte er zunächst nicht daran, seinem Heimatort Tannenbergsthal den Rücken zu kehren. "Die Leute können mir gar nichts wollen, denn ich habe den Leuten auch nichts getan!", so sein Argument. Ein Irrtum, wie sich herausstellen sollte, denn in Tannenbergsthal gab es inzwischen nur noch wenige Bürger, die sich zu ihm bekannten. Offiziell sollte jeder ihn meiden, sei es nun im geschäftlichen oder im privaten Bereich. Wer sich nicht daran hielt, sah sich den verschiedensten Repressalien der neuen Machthaber ausgesetzt. Anfang 1949, im Alter von 72 Jahren, musste Eduard Keffel dann doch den Ort verlassen, um sich der drohenden Internierung in einem Arbeitslager zu entziehen. Praktisch das gesamte betriebliche und private Vermögen wurde entschädigungslos enteignet. Bei dem hierzu abgehaltenen Volksentscheid vom 30.6.1946 stimmten 78,5% dieser Enteignung zu, wobei 94,2% der Tannenbergsthaler Bürger ihre Stimme abgaben.

Somit hörte das Familienunternehmen Keffel in Tannenbergsthal nach 90 Jahren auf zu existieren. Es wurde später in den "VEB Vogtländische Kunstlederfabrik" umgewandelt. Eduard Keffel, der Enkel des Firmengründers, starb am 2.5.1953 in Berlin-Charlottenburg. Kurt Scheffler, von 1902 bis 1934 Bürgermeister in Tannenbergsthal und enger Freund der Familie Keffel, schrieb im Juli 1953 an Walter Reinhold ( Bürgermeister 1935-1945): "Ja, der gute Eddie ist am 7. Mai, seinem 75. Geburtstag, in Berlin-Ruhleben bestattet worden. Die Hoffnung hatte er bis zur letzten Stunde nicht aufgegeben. Ganz verständlich, denn das an ihm begangene Unrecht geht über unser aller Begriffe, wenn wir bedenken, aus welch grausamer Not sein Großvater 1855 die so guten und bescheidenen Waldmenschen erlöste durch den Bau der ersten mechanischen Weberei Sachsens."

Tourismusverband Vogtland e.V. Sagenhaftes Vogtland